Erhalt-Steuer

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Mit vielen Kollegen habe ich anregende Gespräche zum Thema kulturellem Zerfall in Städten und Dörfern (Leerstand) geführt – die künftige Lösung lautet „Erhalt-Steuer“. Dies ist nur fortan möglich und der Gedanke hat keinen Anspruch auf Anwendbarkeit als Hilfspakete für bestehenden Zentrumsleere wie wir sie aus allen Städten Europas, aber vor allem bei uns besonders wahrnehmen. Als das Sterben der Städte und das Zerbrechen der dörflichen wie gesellschaftlichen Strukturen.

Einkaufszentren außerhalb der Städte locken mit ungeahnten (gratis) Parkmöglichkeiten, Komfort für Auto mit oder ohne Familie. Alles an einem Fleck, mit Musik hinterlegt, künstlichem Licht, einer einheitlichen Ruhestrahlung und Geräuschkulisse von plätschernden Wasserfällen im Hintergrund, verzerrte Reklame mit schönen, haarlosen Figuren und ihrem Dekor (Perücke, Stoffe überdecken nur knapp die Purheit des beigen Plastik der Haut darstellen soll). Jeder freut sich offenbar, denn man weiß was man zu erwarten hat. Hier wird man behandelt wie ein König, egal wie groß der Klingelbeutel. Alle haben gleiche Rechte, die Regeln im strahlenden LED Licht sind für alle gleich.

Was sehen wir in der Stadt, die dank des am Stadtrand liegenden Einkaufszentrums weniger Verkehr aber mehr Arbeitsplätze, mehr Unternehmen und mehr Umsatz hat – in einem Wort – Stolz auf seine Wirtschaft ist. Leere. Unfassbar, denn die Zahlen sprechen andere Worte. Die umliegenden Dörfer kommen zum Einkaufen in die Stadt, die Einkaufsstadt. Im Zentrum wo traditionell Platz teuer und Parkplätze rar sind, sehen wir die andere Seite der Münze.

Es werden also Kanäle von der Stadt gebaut, Anschlüsse für das neue Einkaufszentrum gemacht, die innerstädtischen Unternehmen überlegen kurzweilig auch in die neue, moderne Einkaufszentrale zu verlegen, bleiben aus traditionellen oder andere Gründen im Zentrum, teilweise. Die Kunden bleiben nicht. Die Kunden können nicht. Warum soll man sich mit so viel fehlendem Service herumschlagen? Warum kann man nicht einfach 1 Stunde gratis parken, genügend Zeit für Erledigungen und einen Kaffee mit Torte. Warum kann man nicht einkaufen und sich vom Zentrums-Unternehmer alles liefern lassen, warum kann man nicht einfach ein stolzes Erhalts-Mitglied werden und die dummen Leute in die Einkaufsstadt ziehen lassen. Leider fühlt man sich selber dumm, weil man ein Strafmandat riskiert wenn man zum Corona-Test kurz unpassend parkt, wenn man anstelle von Zustellung Selbstabholung in der Filiale wählt, wenn man anders tickt als das Preis-Leistungsverhältnis es gebietet.

Warum der ganze Aufwand? Idealismus? Nein.

Veränderung muss gelebt werden, angeblich hilft das mehr als predigen. Ich befinde mich noch im experimentellen Status. Einerseits will ich bewahren und erhalten, andererseits will ich nicht ein System unterstützen, dass sich selbst nicht ernst genug nimmt, echter kulturelle Veränderung in die Augen zu sehen. Das bedeutet im Klartext, wir wissen seit Jahren dass Leerstand in Städtezentren ein Thema ist. Wir wissen, das wir handeln müssen. UND wir handeln. Verzweifelt, viel, medial und kompromisslos. Aus den vielen Gesprächen unterschiedlicher Branchen hat eines mit einer Stadtarchitektin den Gedanken geboren eine Art Erhalt-Steuer von Einkaufszentren (neue, rückwirkend funktionieren Gesetze schlecht ;-)) zu verlangen. Es geht um Mittelfristigkeit, es geht um Langfristigkeit. Kurzfristigkeit zerstört unsere gesellschaftlichen Zentren. Auf den Punkt gebracht sieht man es an unserem Urlaubsverhalten – wenn wir in Städte reisen – wo erwarten wir Schönheit, Flair und ein Ambiente in dem man sich aufhalten will? Im Zentrum. Dieses muss erhalten werden, auf Kosten jener die angeblich die bessere wirtschaftliche Lösung haben.

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